Warum Mässigung der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit ist

Milian Schenk - 05.Juli.2020

Mässigung, vor langer Zeit noch die Mutter aller Tugenden. Heute oftmals fälschlicherweise auf den Verzicht reduziert und damit gleichgesetzt, spielt Mässigung in unserer Wirtschaftswelt keine Rolle mehr. Mit teilweise gravierenden Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

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In der modernen Wirtschaftswelt geht es schon lange nicht mehr um das richtige Mass. Dieses wurde vielerorts durch das ''Mehr'' abgelöst. Mehr Umsatz, mehr Gewinn, mehr Effizienz, mehr Innovation, mehr Kreativität, mehr Tempo, mehr Perfektion, mehr Kennzahlen, mehr Reporting usw. Alles gleichzeitig.

Sie alle wissen genau, wovon ich rede.

Dass dieses Streben nach Extremen, Probleme mit sich bringt, ist an sich nichts Neues. Mir geht es aber nicht um die alte, stark vereinfachte Forderung nach Verzicht.
Mir geht es um Mässigung. In Unternehmen. Im Führungsalltag. Und das geht weit über den Verzicht hinaus.

Mässigung ist nicht gleich Verzicht. Das war es nie. Es geht um die Kunst des pragmatischen Mittelweges und der Balance. Also vielmehr darum, verschiedene Dinge so zu ordnen, dass daraus ein funktionierendes, zukunftsfähiges Ganzes wird. Dies bedingt vor allem Gelassenheit, Zeit, Distanz, höchste Aufmerksamkeit für das oftmals Verborgene sowie die Bereitschaft, alles kritisch zu hinterfragen.

Fehlende Mässigung äussert sich in verschiedensten Formen in Unternehmen. Und sie betrifft jede und jeden von uns. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die tägliche E-Mail-Flut, das stetige Wachsen der Bürokratie, Probleme die nicht mehr offen angesprochen werden... Man kümmert sich mehr um selbstgemachte Probleme als um die Probleme der Kunden. Überforderte Führungskräfte aus Sicht der Mitarbeiter, unmotivierte Mitarbeiter aus Sicht der Führungskräfte. Die zunehmende Bürokratie belastet die Entscheidungsfreude und -geschwindigkeit.

Diese Symptome und vor allem deren Ursachen gefährden die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und das Wohl der Mitarbeitenden. Sie sind in scheiternden Unternehmen nahezu immer anzutreffen. Aber das wirklich Spannende daran ist, wie weit verbreitet diese Gefährdungen auch in erfolgreichen Unternehmen sind und wie selten man sich ihnen widmet.

Begegnet man Menschen und spricht mit ihnen über ihre aktuellen Probleme in der Arbeitswelt, bekommt man sehr oft die gleichen Dinge zu hören. Einfache, logische und ohne Hochschulabschluss verständliche und nachvollziehbare Dinge.
Und oftmals haben dieselben Menschen auch noch pragmatische, weitsichtige und mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbare Lösungen. Oftmals geht es dabei um Mässigung, auch wenn nicht immer offensichtlich.

Wenn die Probleme und deren Lösung so offensichtlich sind wie ich sie hier schildere, warum werden die Probleme nicht einfach aus der Welt geschafft?

  • Weil man die Probleme und deren Tragweite erkennen muss. Zwischen zwei Meetings wird dies nicht gelingen. Die Auswirkungen sind zudem selten direkt auf einer Kostenstelle zu finden.
  • Weil die Probleme oftmals nur Symptome für die versteckten Ursachen sind.
  • Weil man nicht beim Einzelnen aufhören kann, sondern auch die strukturellen Rahmenbedingungen der Organisation mit in die Überlegungen miteinbeziehen muss.
  • Weil man viele der Ursachen nicht schnell mit einem Workshop, einem neuen, ''modernen Tool'', einem Erfolgsrezept des Wettbewerbs oder mit einer Rundmail beheben kann. Mässigung ist immer situativ und fallbezogen.
  • Weil man dafür kurzfristig keinen Preis und keine Anerkennung gewinnt. Man wird heute an anderen Dingen gemessen.
  • Und weil man die Bereitschaft haben muss, jederzeit alles kritisch zu hinterfragen, nicht zuletzt auch sich selbst.

Damit erklärt sich auch, wieso die Mässigung zurzeit einen schweren Stand hat. Sie ist vieles, nur nicht Mainstream. Uralt ist sie sowieso.
Trotzdem oder gerade deswegen bin ich überzeugt, dass es langfristig keine Alternative zur Mässigung gibt. Aus diesem Grund habe ich auch beschlossen mich für das ''Führen mit Mass'' einzusetzen.

Für zukunftsfähigere Organisationen und zufriedenere Menschen. Und damit ich mir nicht immer dieselben Geschichten anhören muss.

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